Kreisstadt investiert viel in behindertengerechte Schule
Nürnberger Nachrichten 21.12.2011
MÜNCHEN — Nach Ansicht der Grünen muss Bayern erheblich mehr Mittel in den behindertengerechten Ausbau von Schulen stecken.
Bis zu hundert Millionen Euro jährlich seien notwendig, sagte der Landtagsabgeordnete Thomas Gehring in München. Andernfalls werde Bayern den eigenen Vorgaben nicht gerecht. Der Freistaat hat sich der „UN-Konvention zu den Rechten von Menschen mit Behinderung“ angeschlossen. Sie fordert unter dem Stichwort Inklusion freien Zugang für Behinderte zu den Regelschulen. Allerdings sind erst 41 Schulen entsprechend ausgerüstet, darunter eine Grundschule im mittelfränkischen Lauf. „Wir wollen eine der kinderfreundlichsten Städte im Land werden“, sagte Laufs Bürgermeister Benedikt Bisping in München. Das sei „kein Hundert-Meter-Lauf und auch kein Marathon, sondern eine fortwährende Aufgabe“.
Mehr Lehrerstunden
Der grüne Bürgermeister organisierte in seiner Stadt die Laufer Gespräche und entwarf das Modell einer „chancengerechten Schule, in der sich alle Kinder entfalten können.“ Dafür hat Lauf eine Grundschule mit 185 Kindern als „Schule mit Inklusions-Profil“ eingerichtet. Derzeit beherbergt die Grundschule acht behinderte Kinder; demnächst sollen Kinder mit Lernhandicaps dazukommen.
Weil der Betreuungsbedarf entsprechend höher ist, finanziert der Freistaat zehn zusätzliche Lehrerstunden pro Woche. Die Erfahrungen seien sehr gut, sagte Bisping. Zwar müssten die Kommunen mit Mehrkosten rechnen, vor allem für den barrierefreien Ausbau der Schulen. „Das müssen sie aber ohnehin tun, wenn sie neue Schulen bauen oder alte sanieren“, sagte der Grünen-Politiker. Dies sei Standard seit den 1960er Jahren.
Wie viele Schüler in Lauf auf Inklusionsschulen gehen könnten, kann die städtische Behindertenbeauftragte Gabriele Karsten nicht sagen. Seit 20 Jahren existiere eine private Montessori- Schule, die neben einer Förder- auch eine Grund- und eine Hauptschule anbiete. Der Bedarf an städtischen und staatlichen Inklusionsschulen lasse sich bei 27000 Einwohnern kaum berechnen, sagte Karsten.
Nicht stehenbleiben
Allerdings will Lauf nicht beim Erreichten stehenbleiben. Die derzeit 41 Inklusionsschulen im Freistaat sind sämtlich Grundschulen. Haben die Behinderten sie durchlaufen, müssen sie zurück auf Förderschulen. „Wir werden hier nicht stehenbleiben“, sagte Karsten. Lauf arbeite bereits mit einer Bank zusammen, mit dem städtischen Bauhof und der Universität in Erlangen. Am Ende soll ein Konzept stehen, das Behinderte und Nichtbehinderte bis in den Beruf hinein gemeinsam fördert. Die Grünen fordern deshalb für den Nachtragshaushalt erheblich mehr Geld, das in die Inklusion fließen soll. So müsste nach den Worten des Land-tagsabgeordneten Gehring unter anderem die bereits bewilligte Zahl von hundert zusätzlichen Lehrerstellen verdoppelt werden, solle das Land den Kommunen notfalls finanziell beim Umbau der Schulgebäude helfen und eine Beratungsstelle einrichten.
Das Geld sei gut angelegt, urteilte Laufs Bürgermeister Benedikt Bisping. „Die Gesellschaft wird menschlicher, weil Menschen ohne Behinderung den selbstverständlichen Umgang lernen mit Menschen, die behindert sind.“ Dies sei bereichernd für alle Seiten.
ROLAND ENGLISCH
Mittlerweile sind zwei Jahre seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verstrichen. Somit ist die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, den Vereinten Nationen einen Bericht vorzulegen, welche Maßnahmen für die Inklusion von Menschen mit Behinderung bislang ergriffen und welche Fortschritte erzielt wurden.
Auch wenn das Ziel einer umfassenden Einbeziehung von Menschen mit Behinderung in alle Lebensbereiche noch längst nicht erreicht ist, gibt es doch im Nürnberger Land bereits vielversprechende Beispiele, wie Inklusion in der Schule und im Berufsleben gelingen kann.
Diese werden am Do., 14. April 2011 um 20 Uhr in Lauf in der Stadtbibliothek vorgestellt. Referentinnen sind Ulrike Kohlitz, Rektorin der Heuchlinger Grundschule, Bettina Steinward-Schröder, Konrektorin der Montessorischule Lauf, und Andrea Seeger, Geschäftsführerin der Integrationsbegleitung ACCESS, Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben.
Die Laufer Gespräche sind Garant für interessante Diskussionen und Gespräche zwischen und mit Menschen, die sich aus beruflichen und/oder privaten Gründen für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention engagieren. Die Qualität der Veranstaltungsreihe wird durch die hochkarätige Moderation durch Prof. Dr. Hans Wocken, Professor für Integrationspädagogik in Hamburg, unterstrichen.
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